Nr 7: Wilhelm Buschs Begegnung mit sich selbst

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

über Geschmack lässt sich nicht streiten. Über Kunst schon gar nicht. Doch wie wäre es, wenn sich ein ungefragt Portraitierter zu Wort meldete?  Zum Beispiel der berühmte Maler und Erfinder von Bildergeschichten („Max und Moritz“) Wilhelm Busch (1832 bis 1908). Was hätte der wohl von seiner Skulptur vor dem Wolfenbütteler Schlossplatz gedacht? Hören wir ihm doch einmal zu.

 

Wilhelm Buschs Begegnung mit sich selbst

                                oder

Eine Hommage über das Streben und Scheitern

 

Klipp, klapp, klipp, klapp -

Was klimmt von oben da herab?

Wer hangelt auf der Himmelsleiter

in Richtung Erde munter weiter?

 

Ein alter Mann, doch gut erhalten,

mit weitem Mantel, Bügelfalten.

Mit breitem Hut und vollem Bart,

mit hellem Aug´ und Händ´ so zart.

 

Schon lang war er nicht mehr hienieden.

Nun hat es Petrus ihm beschieden,

dass er vom Paradiese einen Tag

sich auf die Erd´ begeben mag.

 

Busch, Wilhelm ward der Mann genannt.

Als Maler, Dichter, Mensch bekannt,

der nur mit seines Geistes Kraft

Gemälde und Gedichte schafft.

 

Nun macht der Busch zur zwölften Stunde

als Geist durch Lessings Stadt die Runde,

so, wie er´s früher gerne tat

als Urlaubsgast zur Kur im Bad.

 

Schon steht er auf dem Markt der Stadt,

die lange schon ein Denkmal hat,

das August zeigt mitsamt dem Pferd.

Der Busch erkennt sofort den Wert.

 

Da schießt ein Wünschen durch sein Herz.

Und kaum gedacht, spürt er den Schmerz,

dass niemand seiner hat gedacht,

mit Stein und edler Bronze Pracht.

 

Er geistert weiter bis vors Schloss.

Da steht - nein, nein, da steht  kein Ross,

der Anblick lässt ihn plötzlich stocken -

in plump und derber Form ein Brocken.

 

Er scheint aus Bronze produziert.

Ein Kopf, ganz sichtlich deformiert.

Mit ungeschlachten Proportionen

scheint die Gestalt am Schloss zu wohnen.

 

Den Busch packt die Barmherzigkeit.

Der Mensch am Schlosse tut ihm leid.

Was der auch ausgefressen hat,

hier ist sehr ungerecht die Stadt.

 

Da schaut er noch genauer jetzt.

Und schaut und stutzt und ist entsetzt.

Ganz tränenblind wird es ihm klar,

das soll er selbst sein, er, fürwahr.

 

Er selbst? Als Bildnis seines Lebens?               

Das Fazit seines Kunstbestrebens?

Die Lücke zwischen Soll und Haben?

Sein Scheitern ist hier eingegraben.

 

In seinem Kopf, da tobt ein Sturm.

Und plötzlich dröhnt es hoch vom Turm.

Das erste Morgenrot erwacht.

Der Busch muss heim. Es flieht die Nacht.

 

Klipp, klapp, klipp, klapp -

Was tappt nach oben trüb und schlapp?

Es ist der Busch mit der Erkenntnis,

hier fand sein Schaffen kaum Verständnis...