Liebe Leserin, lieber Leser,
natürlich kennen Sie Szenen, wie die geschilderte nicht. Sie irren nicht vom braven Pfad des Internets ab und verlieren sich nicht in den Untiefen des digitalen Morastes, wo die Subkultur Orgien feiert. Und doch, die Nutzerzahlen der Pornoseiten sind die begehrtesten des gesamten Internetangebots.
Irgendjemand irrt also ab, entweder bewusst oder er hat sich (gern) verlaufen. Warum auch nicht? Wir sind ja alle alt genug.
Mein Gedicht schildert so einen Fall. Auch da hilft die Lyrik, Delikates mit gewählter Sprache abzuhandeln. Auf also in das virtuelle Rotlichtviertel. Viel Vergnügen!
Blaudüster glimmt´s vom Bildschirm her - Eine digitale Ballade
Des Tages Hast verebbt. Die Nacht zieht auf.
Die Turmuhr schlägt zwei Löcher in die Luft.
Am Himmel sind die Sternlein aufgesteckt.
Der brave Bürger bettet sich zur Ruh`
vom Traum umhüllt gleich einer wärmend Decke.
Nur ich, allein, ruhlos im großen Haus,
grübelnd verirr ich mich in meinen Sinnen.
Durchs Fenster, weit geöffnet, streicht Schwüle
um mich her. Ganz leise rauscht es im Gebüsch.
Ein Windstoß scheint`s. Kleinlaut trollt er von dannen.
Ein Hund bellt leis. Dann wieder ist`s ganz still,
wie in den Betten, wo brave Menschen
friedlich dem neuen Tag entgegen schnarchen.
Blaudüster glimmt der Bildschirm vor sich hin.
Mir scheint`s verführerisch. Keck denkt mein Hirn:
Wo könnt` man surfen auf der Welle, die
kurz vor Bettigehn aufpeitscht verbot´ne Lust?
Drum frisch ans Werk und nachgeguckt, was
zwischenmenschelt so im Netz. Zum Beispiel:
Der Geschlechtsverkehr. Beliebt bei Jung und Alt.
Wo brünstig Gier und feiles Fleisch am Markt
ohn´ große Umständ` sich zusammentun,
da lässt sich`s schaun in manche Körperfalten,
die man zu Recht bei Tage schüchtern meidet.
Gespreizt, genässt, gekeucht mit Aussicht
in Regionen, vertraut und unbekannt
zugleich - das fasziniert und stößt doch ab.
Da lieget Glied an Glied ganz wundersam
in komplizierter Form. Verrenkt die Körper.
Man schwitzt, hantiert mit mancherlei Gerät.
Man stöhnt, man schnauft und ächzt wie auf der Folter.
Schon steht der kalte Schweiß mir auf der Stirn.
Und da, greift man nach mir?? „Die Nummer, schnell,
des Kontos auf der Bank!“, so schreit es grell.
Dann steh` auch mir die Pforte offen. Mich graust´s.
Ist das die Lust, die ich gesucht? Erstarrt
drück ich auf ´runterfahrn´. Ein Hund bellt leis.
Dann wieder ist`s ganz still in meinem Bett,
wo ich erlöst dem Tag entgegen träume.
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