Liebe Leserin, lieber Leser,
Deutschland politisiert sich. Wohin man schaut, Demonstrationen. Wie vor dem Brandenburger Tor in Berlin mit den Friedensikonen Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer. Aber auch vorm Tchibo-Eck in Wolfenbüttel. Erinnern Sie sich noch an unser Rentner-Quartett? Die Pensionäre Gerd, Klaus, Heinz und Frieder?
Jeden Vormittag treffen sie sich in der Fußgängerzone, um das große Weltgeschehen zu kommentieren. Mit Leidenschaft und Sachverstand. Ebenso kompetent und meinungsstark wie vor dem Brandenburger Tor in der Hauptstadt.
Ich belausche sie nun schon seit Jahren. Vertrauensvoll überlassen sie ihren Ehefrauen, Röschen, Ruth, Elfi und Helene die häusliche Putzarbeit. Denn sie kümmern sich um Wichtigeres. Aber keine Angst: Pünktlich zum Mittagessen sind sie wieder zu Hause.
Die Rentnerrunde
Kaum ist´s März, die Sonne lacht,
wird bei Rentners Krach gemacht.
Am Tchibo-Eck sieht man sie wieder.
Gerd und Heinz und Klaus und Frieder.
Nach der langen Winterszeit
sind zum Kampfe sie bereit.
Geladen sind die Wortkanonen.
Überm Kaffee schweben Drohnen.
„Schluss mit Leo eins und zwei!
Im Weltkrieg sind wir nicht dabei
Selenskyi kann die Jets vergessen.
Wir lassen uns nicht mehr erpressen.“
„Das“, schreit Heinzi zornesrot,
„bringt für Deutschland Kampf und Tod.
Wir haben damit nichts zu tun.
Jetzt müssen alle Waffen ruhn.
Die Ukraine war schon immer
Wladi Putins Hinterzimmer.
Wer die Russen provoziert,
der wird eben liquidiert. ...
Verhandeln hätte längst man schon.
In Deutschland herrscht die Inflation.“
„Und die Schulden, sagt der Frieder?
Kriegen wir das Geld je wieder?
Gas ist teuer, Mieten steigen.
Doch die Diplomaten schweigen
Alle reden nur vom Krieg.
Nie erreichen wir den Sieg.
Die Lösung ist doch sonnenklar.
Gebannt wär die Atomgefahr,
wenn für den Donbas man erhält
Frieden für die ganze Welt.“
„Ja“, heult glücklich das Quartett,
„das schreiben wir ans Kabinett.
Die Ukrainer geben Putin Land.
Vermieden ist der Weltenbrand.“
Und schon ist die Stimmung gut.
Verflogen ist die Rentnerwut.
So löst man jeden Kriegesstreit,
wenn man zum Kompromiss bereit.
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Das wäre ja ein Patentrezept: Wir bestellen und die Ukrainer zahlen. Schaun wir mal, was daraus wird. Ich rate, bei den bewährten Verfahrensweisen des menschlichen Miteinanders zu bleiben. Aber im Hintergrund höre ich schon meine Pensionäre krakeelen.
Ich wünsche Ihnen bei allem, was Sie tun, nie die Belange Ihrer Nächsten aus den Augen zu verlieren. Aber da renne ich beim größten Teil unseres Volkes offene Türen ein.
Herzlichst
Ihr
Rainer Sliepen