Liebe Leserin, lieber Leser,
wir sind Teil des Publikums, das Tag für Tag die Theatersäle füllt. Meist sind wir begeistert über das, was da auf den Brettern über die Bühne geht. Aber Orientierung wäre schön. Aber dafür gibt´s ja den Rezensenten, so wie im nachstehenden Opus.
Das Publikum - eine Erinnerung
Kompakt besetzt es seine Sessel.
Das Individuum mutiert zur Menge.
In des Theaters Mitte gärt es wie im Kessel.
Spannung ballt sich in die Weite und die Länge.
Erwartung liegt bleiern in der Luft.
Wird heut der Star die Frauenherzen knicken?
Im Fernsehen ist er abgebufft.
Wird er beim Gastspiel auch entzücken?
Man hat bezahlt für ein Vergnügen,
des´ Gegenwert noch nicht bewiesen.
Doch wer wird schon den Autor rügen,
bevor sich samtene Portieren schließen?
Nur einer sitzt und grübelt missgelaunt.
Der Rezensent hat seinen Text schon abgefasst.
Man sieht ihn brüten und man raunt:
Ob er den Mimen liebt, ob er ihn hasst?
Kränzt er das Haupt mit Lorbeer ihm
oder schwingt er wie so oft die Gerte?
Was er auch immer tut, ist legitim.
Der Mann ist schließlich ein Experte.
Die Szene spielt zur Dämmerstunde.
Laut knallen die Pointen.
Der Star schielt eitel in die Runde.
Es ist ein Bauernstück aus Kärnten.
Dann endet es. Der Vorhang fällt,
Das Publikum tritt Beifallsstürme los.
Wert ist der Star das viele Auftrittsgeld.
Doch, plötzlich, da, der Dolchesstoß.
Es quellen im Parkett die Tränen.
Noch ahnt der Star das Unglück nicht.
Man sieht den Rezensenten …. Gähnen!!
Mit dem Verriss genügt er seiner Pflicht.
Und wie in römischen Arenen
der Imperator seine Gunst gewährt,
so fühlt der Rezensent ein Sehnen
nach Macht, die ihm sein Ego nährt.
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Viel Spaß beim nächsten Theaterereignis wünscht Ihnen Ihr erprobter Rezensent
Rainer Sliepen