„Gemeinsam nur“ - Eine dramatische Szene 

 

Sprecher 1: Ein Konservativer, Mitte 50, praktizierender Katholik,

in Sekundärtugenden verliebt, nicht unsympathisch.

 

Sprecher 2: Ein Linksliberaler, Ende 20,  gesellschaftlich engagiert,

streitbar, doch ohne Verbissenheit, religiös ungebunden.

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Sprecher 1

 

Den Wunsch vernehm´ ich wohl, den Platz zu wählen, 

wo sich der Mensch, die Gaben Gottes nützend, 

frei entfaltet. Doch hier ist´s wie auch sonst: 

Nicht alle Blütenträume werden reifen. 

 

Sprecher 2 

 

Verzeiht, wenn ich Euch zweifach korrigier´. 

Es sind nicht Wünsche, noch ist´s falscher Neid. 

Hier geht´s um blanke Not, um Ausgleich geht´s. 

 

Sprecher 1

 

Gewiesen hat uns Gott den Ort, an dem wir 

seine Gnad´ mit großem Fleiß vergelten, 

sei´s in der feindlich eis´gen Welt des Nordens, 

den trock´nen Wüsten, von heißer Sonne 

ausgebleicht, den öden Steppen unbehaust. 

Ein Jeder ist gestellt auf seinen Platz 

ohn´ Neid auf jene, die frei und unbedrängt 

der lieblichen Natur sich freu´n. 

 

Sprecher 2

 

Auch wenn´s dem Zufall ist geschuldet, wo wir 

ganz ahnungslos das Licht der Welt erblicken? 

Sind wir nicht Brüder allzumal, mit Sorge 

für den Nächsten, der uns´rer Hilfe darf vertrauen? 

 

Sprecher 1

 

Ein Kosmos ist die Welt und so auch die Geschöpfe, 

der Unermesslichkeit des Herrgotts nachgebildet 

in Zahl, in Form, in Farbe und Verstand. 

Sein Wille ist´s, der uns bestimmt allda 

sein Werk mit Lobpreis zu verehren, wo Gott 

hat ihm den Platz bestimmt. Wagt Ihr´s, mit frecher´ 

Hand den Weltenplan zu korrigieren? 

 

Sprecher 2

 

Ihr wählet große Worte…! 

Doch wenn Ihr´s philosophisch wollt, so hört: 

Der Weltenplan, wie Ihr ihn nennt, er schafft 

den Rahmen, in dem wir uns gestaltend müh´n. 

Zwar heißt´s, macht Euch die Erde untertan. 

Nutzt Eure Kraft, die Möglichkeit zu weiten, 

mit Augenmaß, mit Liebe, mit der Lust, 

sich zu erproben, die ird´schen Grenzen auszuloten...

 

Sprecher 1

 

…ganz recht, so lehrt es uns die Mutter Kirche. 

 

Sprecher 2

 

…ich bin noch nicht zu End. 

Ihr wisst wie ich: Umsonst ist alles Streben,   

wenn feindlich die Natur entgegenwirkt. 

Den einen legt in Fesseln sie, zu ketten 

ihn auf ewig an sein ärmlich´ Los. 

Der andere lebt frohgemut im Einklang 

mit den Elementen. Hier ist die Probe 

auf das Wertsystem, das uns als Christen 

bindet, den Armen hilfreich beizustehn. 

 

Sprecher 1

 

Gleich ist der Mensch und gleich der Zwang, erfolgreich 

sich im Lebenskampfe zu behaupten. 

 

Sprecher 2

 

Blutleere Rabulistik, geschuldet nur 

den Dogmen, der Liebe zu den Menschen nicht. 

Der Weltenplan ist eins, ein anderes die Wirklichkeit. 

 

Sprecher 1

 

Die Gabe hat der Mensch, sich gegen Unbill 

zu erheben. Zur Seite steht die Kirche ihm. 

 

Sprecher 2

 

Beliebet Ihr zu spotten? Die Kirche, 

die Religionen, sind sie des Übels 

Hauptursache nicht? Erbittert ist der Kampf  

ums täglich Brot, doch vielfach härter 

ist der Streit ums Seelenheil… 

 

Sprecher 1

 

…dem Endzweck uns´rer Lebensfahrt, so ist´s. 

 

Sprecher 2

 

Das lasst die Menschen selbst entscheiden. 

Denn vor dem Tode kommt das Leben, 

das einzige Geschenk, so köstlich ist´s, 

wie unverdient. Mit allen Sinnen es   

zu nutzen, es auszuschöpfen zur eig´nen 

Freude und der Nächsten ist Gebot. 

 

Sprecher 1

 

Versteh ich´s recht? Wollt Ihr die Heilsgewissheit 

aufrechnen gegen irdisches Vergnügen? 

 

Sprecher 2

 

Ihr´s nennt´s Vergnügen, ich nenn es Leben, 

nenn´s Liebe zwischen Mann und Frau, 

die Sorge für die Kinderschar, 

der man als Vorbild freundlich weist den Weg. 

Gelebt hat der, der Gleichgesinnte findet, 

mit denen teilt er Freud´ und Leid. 

Und Leben heißt, mit Kopf und Hand der Erde 

abzuringen den Ertrag, der Basis ist 

für Sicherheit und Wohlergeh´n hienieden. 

 

Sprecher 1

 

Und wem´s misslingt? Hier anzurufen ein 

Gericht ist nicht im Weltenplan enthalten. 

Wer fehlt, dem geht´s wie seinem Nachbarn, 

der leichten Sinns verspielt sein Glück. 

Jedweden Schaden selbst zu tragen, 

das ist des Lebens ehernes Gesetz.

 

Sprecher 2

 

Das sagt Ihr mir? 

Das sagt Ihr Euren Mitgeschöpfen ins Gesicht, 

den Menschen, die vor Katastrophen flieh´n, 

die suchen Schutz vor Krieg, vor Auslöschung 

durch die, die sie gewählt in Friedenszeiten, 

die durch den Hass der Religionen 

entfremdet werden ihrer Menschlichkeit? 

 

Sprecher 1

 

Ein großes Abenteuer ist das Leben,   

wie eine Lotterie. Dem Einen hold, 

wird Anderen das Übel aufgepackt. 

Wer will da richten, wer will wägen? 

Die Drangsal ist des Glückes arme Schwester. 

So war´s, so ist´s! 
 

Sprecher 2

 

So war´s, so ist´s…? 

Verschonet mich mit Eurer Litanei. 

Für´s eig´ne Wohlergehn, da tretet ihr 

die Menschenwürde mit den Füßen. 

Sind nicht die Religionen aufgerufen, 

der Schwachen und Bedrängten Leid zu lindern? 

Herberg zu geben denen, die fürchten 

um ihr Leben, um das der Töchter und der Söhne? 

 

Sprecher 1

 

Wir schließen ein sie ins Gebet vor Gott, 

dem alle Menschen gleich und lieb, 

für die er ist geschlagen an das Kreuz. 

Geopfert hat er sich für jene auch, 

die sich gewendet haben gegen ihn 

und sich im Kampfe um die rechte Lehr´ 

im dumpfen Aberwitze selbst zerfleischen. 

 

Sprecher 2

 

Und Euer Herz? Krampft sich´s vor Mitleid nicht 

zusammen? Wo bleibet Euer Mitgefühl? 

Rührt Euch das Schicksal dieser Menschen nicht? 

 

Sprecher 1

 

Wir seh´n sie wohl, die Elendskarawanen, 

die jammervoll an uns vorüberzieh´n. 

Wir seh´n die ries´ge Schar der Leidenden, 

die Opfer sind von starrem Geist, der sich 

archaisch rächt an jedem, der eig´ne 

Wege sucht zum Glauben … 

 

Sprecher 2

 

…so, wie wir´s schmerzvoll selbst erleiden mussten, 

als Christen sich im Namen Christi massakrierten.

 

Sprecher 1

 

Meint Ihr den Glaubensstreit, 

vor vielen hundert Jahren 

der heil´gen Kirche von Lutheranern aufgezwungen? 

 

Sprecher 2

 

So ist´s. 

Ein grausig´ Lehrstück hat die Christenheit 

tief eingegraben ins Bewusstsein derer, 

die sich erinnern an den großen Krieg 

mit Legionen Toten, Verarmung aller Orten, 

Verwüstungen der menschlichen Beziehung. 

Hinweggefegt durch Orgien der Gewalt 

sind staatliche Organe für Sicherheit 

und Schutz des schwer bedrängten Volkes. 

In einhundert Jahren war´n die Folgen 

des dreißigjähr´gen Schlachtens noch zu spüren. 

Vergessen, scheint´s, habt Ihr die schmerzliche Lektion… 

 

Sprecher 1

 

… die als kathartischer Prozess das Gute 

schied vom Bösen. Und Ähnlichkeiten zum Gezänk 

im Morgenland, die kann ich nicht erkennen. 

Denn merket auf: Seitdem herrscht Friede in der Christenheit. 

Das ist die Lehre, die ich zieh´ aus der 

Geschichte. Friedvoll geeint schart sich das 

Christenvolk seitdem demütig unterm Kreuzesbanner. 

 

Sprecher 2

 

Friedvoll geeint? Nicht heut`, 

viel weniger in der Geschichte. 

 

Sprecher 1

 

Dem rechten Glauben galt´s! 

Geht´s um die Wahrheit, ist kein Preis zu hoch. 

 

Sprecher 2

 

Die Mär vom Streite um den rechten Glauben, 

nur dürftig deckt sie die dynastischen Int´ressen, 

den Neid der kleinen Fürstenhöfe auf den Kaiser, 

des Auslands Kampf um Einfluss auf dem nord´schen Meer. 

Zu kurz war damals schon der Lügenmantel, 

mit dem die Machtgier sollt´ verhüllet werden. 

 

Sprecher 1

 

Historie ist´s, in alten Büchern abgelegt, 

bedeckt vom Staube der Vergangenheit. 

 

Sprecher 2

 

Und doch ist es Geschichte, die Lehren birgt 

für uns, die wir erneut verwickelt sind 

ins große Morden ganzer Völkerscharen. 

Denn brennend aktuell ist der Konflikt, 

gespeist aus Quellen, die damals schon 

die Vaterländer todbringend überschwemmten. 

Auch heute geht’s um Macht, um Einfluss geht´s. 

Entwinden will der Westen den Zugriff 

auf das Öl den Staaten in Arabien. 

Den Absatz der heimischen Fabriken 

gilt´s zu sichern. Die Vormacht in der Welt 

ist Ziel des Stellvertreterkriegs im Osten, 

der Ursach´ ist für Millionen Tote, 

für Menschen, die vor dem Terror fliehen. 

 

Sprecher 1

 

Wollt Ihr mich hier belehren? 

Die Zeit ist um, wir drehen uns im Kreise. 

 

Sprecher 2

 

So hört doch, hört! Es geht um´s Überleben. 

 

Sprecher 1

 

Ums Überleben? …  Ja, das ist´s! 

Jetzt endlich kommen wir zur Sache. 

 

Sprecher 2

 

So lasst mich den Gedanken 

in Ruh` zu Ende führen. 

 

Sprecher 1

 

Jetzt hört Ihr zu. 

Wenn man die Ursach´ kennt für dieses Morden, 

dann fällt der Schleier von den Augen, gewebt 

aus Mitleid, Unverstand und Ignoranz. 

Das Morgenland ist geistig dumpfe Enge. 

In Geiselhaft des Staats verharrt die Religion. 

Nun ist sie Werkzeug seiner weltlichen 

In´tressen, mit dem er knebelt Alt und Jung. 

Erzwung´ne Einheit zwischen Staat und Kirche, 

daraus erwachsen Kriege, Terror und Pogrome. 

 

Sprecher 2

 

Und Eure Lösung? Sprecht, legt sie mir dar. 

 

Sprecher 1  

 

Es fehlt an Traditionen, die sich des Werts 

der Ratio bedienen, Befreiung aus den Ketten, 

die die Vernunft in Banden schlägt. 

Es fehlt im Islam Mut,  es fehlt an krit´schen Geistern, 

zu lösen diese Bande mit des Verstandes Schärfe 

von überholten heidnischen Gebräuchen. 

 

Sprecher 2

 

Versteh´ ich´s recht? 

Ihr meint, so wie´s bei uns gebräuchlich ist? 

 

Sprecher 1

 

Wir haben unseren Kant studiert, gelernt, 

dass wir die Herren uns´res Schicksal sind. 

Nicht delegierbar ist das verdrießliche 

Geschäft, die eig´nen Wege selbst zu finden, 

Unmündigkeit, ob selbstgewählt, ob einer 

höh´ren Macht geschuldet. Sie ist das Mittel, 

das blöde Volk am Nasenring zu treiben 

wohin es die Verführer woll´n, sei´s nun   

der Staat, sein´s die Besitzer riesiger Vermögen. 

 

Sprecher 2

 

Da habt Ihr recht. 

Verschuldete Unmündigkeit ist feige. 

Dem Risiko zu trotzen, aufrecht zu steh´n 

in der Gefahr, so wird die Kreatur 

zur Krone Gottes Schöpfung, zum Menschen, 

der frei sein Schicksal fordert in die Schranken.

 

Sprecher 1

 

Ich spür´s mit allen Fasern meines Herzens. 

Jetzt endlich seid Ihr bei mir, habt´s verstanden. 

 

Sprecher 2

 

Da fällt ein schwerer Stein mir von der Seele… 

Gleichwohl…. 

 

Sprecher 1

 

Gleichwohl? 

 

Sprecher 2

 

Gleichwohl gebietet´s die Gerechtigkeit, 

das Morgenland mit gleichem Maß zu messen. 

Ist nicht der Aufstand gegen die Despoten 

der Wüstenstaaten gleichzusetzen mit 

dem heldenmüt´gen Kampfe der Franzosen   

gegen Thron und Adel vor zweihundert Jahren? 

Ums Menschenrecht ging´s damals so wie heut´. 

 

Sprecher 1

 

Da, will mir scheinen, greift Ihr doch zu hoch. 

Der tiefe Fall der Herrschaft der Bourbonen 

ging über Frankreichs Schicksal weit hinaus. 

Die schmerzhafte Geburt der Republik   

in einem Ozean von Monarchie´n, 

beeinflusst hat sie uns´re Politik 

bis weit in uns´re unheilvollen Tage… 

 

Sprecher 2

 

…und hat an Strahlkraft nichts verloren für 

die Menschen, die an den Thronen rütteln, 

die kämpfen um ihr Lebensrecht genauso 

wie die tapferen Stürmer der Bastille. 

 

Sprecher 1

 

Ihr meint..., dass hier sich eine Linie  zieht 

aus der Vergangenheit bis… heute? 

 

Sprecher 2

 

Mit Eurem Maß gemessen: Dreimal Ja. 

Hier ist er offenbar, der freie Wille, 

das Schicksal selber in die Hand zu nehmen, 

ohn´ zagend´ Rücksicht auf das eig´ne Leben.  

 

Sprecher 1

 

Und doch, der Unterschied…

 

Sprecher 2

 

…der Unterschied ist der, dass der Despoten 

Macht und Tyrannei noch nicht gebrochen ist. 

Hier ist die Ursach´ für die Flucht der Vielen, 

die Zuflucht suchen bei den Mitgeschöpfen, 

bei Dir, bei mir, bei Allen guten Willens. 

 

Sprecher 1

 

Reich mir die Hand, wir wollen unseren Streit 

begraben und einbezieh´n die Schwachen 

in den Bund, der uns ab jetzt vereint. 

Die Erde, Geschenk an alle Menschen, 

sie ist nicht der Besitz der Glücklichen, 

die, von des Schicksals unbestimmtem Lauf 

geführt, sich auf des Lebens Sonnenseite finden. 

Auch die, die sich im Schatten müh´n, der Unbill 

der Verhältnisse zu trotzen, 

sind uns´re Brüder, Schwestern, uns´re Nächsten.

 

Nicht ums Gewähren, ums Überleben geht´s. 

Gemeinsam nur ist uns´re Welt zu retten.

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